Autor: Torsten Klein | Aktualisiert: 8. Juli 2020 | Lesezeit: 5 Minuten
Die häufigsten Operationen mit Impotenz-Risiko sind:
- Prostatektomie (Entfernung der Vorsteherdrüse)
- Rektumresektion oder -extirpation (Teil- oder Komplettentfernung des Mastdarmes)
- Zystektomie (Entfernung der Harnblase)
Das individuelle Risiko für eine Impotenz nach einer Operation hängt von vielen Faktoren ab und steigt unter anderem mit/bei:
- dem Alter
- vorbestehenden Erektionsstörungen
- zusätzlichen Gefäß-Erkrankungen
- vorhandenen Nervenstörungen oder -krankheiten
- fortgeschrittenem Stadium, Aggressivität der Grunderkrankung und damit
- größerem Umfang der OP
Operationen die zur Impotenz führen: Vorsicht beim Gefäß-Nerven-Bündel
Vom Nervengeflecht des Beckens (Beckenplexus) aus versorgen Schwellkörper-Nerven (N. cavernosi) den Penis, an jeder Seite einer.
Sie begeben sich zusammen mit wichtigen Blutgefäßen auf den Weg zur Penisbasis, laufen dabei als kombinierte Gefäß-Nerven-Bündel an beiden Seiten der Prostata entlang und münden schließlich in den Schwellkörpern.
Diese beiden Stränge, direkt auf der Kapsel der Vorsteherdrüse, sind unerlässlich für den Erektionsvorgang. Werden sie komplett durchtrennt, regt sich das Glied voraussichtlich nie mehr von sich aus.
Schon geringe Verletzungen bedeuten meist Erektionsstörungen und selbst eine leichte Dehnung kann zur ED führen.
Operationen im kleinen Becken
Operationen im kleinen Becken sind sehr schwierig. Die Verhältnisse sind äußerst eng und durch Wirbelsäule und knöchernen Beckengürtel schwer zugänglich.
Ganz gleich, welches Organ zu operieren ist, es gibt nur begrenzte Zugangsmöglichkeiten. Penisversorgende Nerven und Gefäße sind faktisch immer in Gefahr.
Selbst radikale chirurgische Eingriffe können in der Beckenhöhle heute jedoch sehr häufig nerven- und gefäßschonend durchgeführt werden.
Immer mehr erfahrene Operateure nehmen dazu minimalinvasive Techniken wie Laparoskopie (Schlüsselloch-Technik) und sogar Roboterassistenten zu Hilfe.
Einige kleinere Operationen sind auch endoskopisch von Harnröhre (transurethral) oder After (transanal) aus möglich, ohne Gefahr für penile Versorgungsleitungen. Dazu zählt beispielsweise TURP, die Teilentfernung von überschüssigem Gewebe bei gutartiger Prostatavergrößerung (BPH).
Hilfe in Anspruch nehmen: Die Penis-Reha
Sind Teilfunktionen der Nervenversorgung noch intakt, sollten Betroffene, denen die Erektionsfähigkeit wichtig ist, so bald wie möglich mit einer Penis-Rehabilitation beginnen.
Selbst wenn der Gedanke an Geschlechtsverkehr noch weit entfernt scheinen sollte, hilft eine regelmäßige Gliedsteife dem Penis bei seiner Rückkehr zur Normalität. Er braucht einen Ersatz für die nächtlichen oder morgendlichen Erektionen ohne sexuellen Stimulus, denn sie sind lebensnotwendige „Power-Durchblutungen“. Bleiben diese zu lange (Monate) aus, „verhungert“ und verkümmert das Gewebe. Es bildet sich dauerhaft zurück.
Nerven heilen langsam: 1,5 bis 2 Jahre kann dies durchaus dauern. Darauf können allerdings die übrigen Strukturen des Penis nicht warten, die Schwellkörper müssen sich gelegentlich füllen. Geduld und Ausdauer sind in jedem Fall gefragt, wenn spontaner Sex erklärtes Ziel sein soll.
Können PDE-5-Hemmer nach Operationen helfen?
Als erste „Anlaufstelle“ können PDE-5-Hemmer (Potenzmittel) in regelmäßigen Abständen (2 bis 3 mal wöchentlich) probiert werden.
Die Ansprechraten innerhalb der ersten 6 Monate liegen häufig allerdings nur bei 12 bis 17 Prozent.
Wirken die Tabletten (noch) nicht, sind die Autoinjektion mit Prostaglandin 1 (SKAT) und sogar die Vakuumpumpe die nächsten Optionen mit weit besseren Ergebnissen. Später dann lohnt ein erneuter Versuch mit Potenzmittel wie Viagra oder Cialis.
Prostatakrebs und Prostatektomie können Impotenz begünstigen

Vorsteherdrüsenkrebs zählt zu den häufigsten Krebsformen bei Männern. Die Prävalenz steigt mit dem Alter stark an. Trotz unsicherer Früherkennungsmethoden (PSA-Test) werden immer mehr Karzinome schon in frühen Stadien entdeckt.
Wie bei vielen anderen bösartigen Erkrankungen ohne anfängliche Symptome gilt auch hier, dass sich damit die Therapieerfolgsaussichten deutlich verbessern und Eingriffe weniger invasiv ausfallen müssen.
Die Prostata liegt tief im Becken, umgibt die Harnröhre unterhalb der Harnblase und liegt vorn dem Schambein sowie hinten dem Mastdarm an. Schon dies sind denkbar ungünstige Bedingungen.
Prostatakrebs kann nervenschonend behandelt werden
Selbst radikale Prostatektomien wegen fortgeschrittenen Prostatakrebses können heute, soweit möglich, nervenschonend durchgeführt werden.
Der operierende Urologe achtet sehr darauf, zumindest einen der beiden Nerven-Gefäß-Bündel intakt zu erhalten. Eine sehr herausfordernde Aufgabe, denn auch der Tumor befindet sich bevorzugt genau dort.
Langjährige Erfahrung des jeweiligen Chirurgen spielt eine große Rolle. Die Heilung und Wiederherstellung anfänglicher Schwierigkeiten sind unter nervenschonender Prostatektomie ebenfalls beschleunigt im Vergleich zu früheren Methoden.
Enddarmkrebs und Rektumresektion als Risiko für Impotenz
Bösartige Tumoren des Darmes betreffen fast ausnahmslos den Grimmdarm (Colon, Kolon) und End- oder Mastdarm (Rektum).Die kolorektalen Karzinome sind die zweithäufigste Krebserkrankung des Mannes.
Schon eine Totale Mesorektale Exzision (TME) per Laparoskopie (Schlüssellochoperation) schont zwar Nerven, doch ist eine Impotenz als Folge nicht mehr ganz auszuschließen.
Mit allen weiter greifenden chirurgischen Eingriffen steigen auch Wahrscheinlichkeit und Ausmaß einer Erektionsschwäche.
Blasenkrebs und Zystektomie als Risiko für Impotenz
Die vollständige Entfernung der Harnblase (radikale Zystektomie) war lange Zeit das Standardverfahren zur Therapie der oberflächlich aggressiven und der muskelinvasiven Formen des Blasenkarzinoms.
Dabei wurden neben der Blase auch die Prostata, Samenbläschen und Samenleiter mit entnommen, weshalb sie beim Mann auch radikale Zystoprostatektomie hieß.
Inzwischen werden auch diese Operationen nervenschonend(er) durchgeführt und weniger radikale Ansätze verfolgt, die dennoch die Gefahren eines Rezidivs (einer Rückkehr) bösartiger Neubildungen gering halten.
Letztlich geht jedoch stets das restlose Ausmerzen von Krebszellen vor eventuellem Impotenz-Risiko. Eine Erektion mag zwar nützlich für die schönste Nebensache der Welt sein, doch die Krebsbehandlung sollte in diesem Fall ganz klar vorrangig sein.
Fazit: Wenn Operationen zu Impotenz führen…
Wenn eine Operation zur Impotenz führt, kann nur in manchen Fällen ein Potenzmittel wie Viagra helfen.
Sind Nervenschäden ursächlich für das ausbleiben der Erektion, kann noch ein lokal anzuwendendes Potenzmittel (Spritze in den Schwellkörper, oder Stäbchen in die Harnröhre) für eine stärkere Erektion sorgen.
In ganz besonders schweren Fällen hilft nur noch eine Operation und das einsetzen einer Penisprothese. Wenn dies auch keine ausreichende Wirkung zeigt, ist noch immer Sex ohne Erektion eine Alternative. Eine erfolgreiche Fortpflanzung ist dann allerdings nicht mehr möglich.
- Erectile dysfunction after surgical treatment: ncbi.nlm.nih.gov
- Sexual dysfunction after pelvic surgery: nature.com
- Male pelvic side effects and your sex life: macmillan.org.uk
- Erectile Dysfunction after Radical Prostatectomy: Prevalence, Medical Treatments, and Psychosocial Interventions | doi.org
- Radikale Prostatektomie bei Prostatakrebs (Prostatakarzinom) | prostata.de
- Nervenschonung bei radikaler Prostatektomie | prostata.de/magazin/
- Kolorektales Karzinom | Wikipedia
- Totale mesorektale Exzision: flexikon.doccheck.com
- Männliche Sexualität und Krebs | krebsinformationsdienst.de
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